Die treue Leserschaft unserer Blogpost-Reihe „Rückblende Kaye“ mag sich fragen, welche Bedeutung die Kaye Eispunkt-Referenz im Zusammenhang mit der Validierung thermischer Prozesse im GxP-Umfeld hat. Tatsächlich findet man die Kaye Eispunkt-Referenzen eher an Aluminiumöfen, in Turbinenprüfständen oder im Kraftwerksbau. Dennoch sind die Grundkenntnisse, die in diesem Zusammenhang in den frühen 1950er Jahren von unserem Firmengründer Dr. Joseph Kaye gewonnen wurden, ausschlaggebend für die Entwicklung hochgenauer Validierungssysteme, die auf Thermoelementen als Temperatursensoren basieren.
Wie jedes Sensorelement weisen auch Thermoelemente, unabhängig vom Typ, systembedingte Fehlerquellen auf. Diese müssen beim Aufbau eines Messkreises berücksichtigt werden. Um eine genaue Temperaturmessung zu gewährleisten, ist eine vollständige Kompensation dieser Fehlerquellen zwingend erforderlich. Insbesondere die sorgfältige Durchführung einer Kaltlötstellenkompensation ist bei Thermoelementen von entscheidender Bedeutung.
Was ist eine Kaltlötstellenkompensation?
Die Temperaturmessung eines Thermoelementes basiert auf dem sogenannten Seebeck-Effekt, bei dem eine Spannung erzeugt wird, wenn zwei unterschiedliche, elektrisch leitende Materialien an einer Stelle thermisch miteinander verbunden und unterschiedlich temperiert werden. Kurz gesagt: Ein Temperaturgradient entlang einer Verbindung unterschiedlicher Metalle erzeugt eine elektrische Spannung.
Die Herausforderung besteht nun darin, dass jede Verbindung zweier unterschiedlicher Metalle ebenfalls als Thermoelement fungiert und ein thermoelektrisches Signal entsprechend ihrer Temperatur erzeugt. In der Praxis wird daher das Signal des Thermoelements häufig durch die ungewollten Thermoelemente der Messleitungsklemmen verfälscht - dies wird als Kaltlötstellen-Effekt bezeichnet.
Die Kaltlötstellenkompensation ist daher ein kritischer Bestandteil in Thermoelement-Messkreisen. Ohne sie wäre das Temperatursignal, das am Ende gemessen wird, eine Funktion von zwei Temperaturen - der eigentlichen gewünschten Temperatur und der Temperatur an der Kaltlötstelle. Diese Kompensation ermöglicht es, das Signal der eigentlichen Messstelle zu isolieren und dadurch eine genaue und zuverlässige Temperaturmessung zu liefern.
Für die Adressierung einer effektiven Kompensation von Kaltlötstellen in der Thermoelement-Messtechnik stehen drei technische Lösungen zur Auswahl:
1. Ausnutzung des **Seebeck-Effekts**: Dieser Effekt, benannt nach dem deutschen Physiker Thomas Johann Seebeck, beschreibt die Umwandlung von Temperaturdifferenzen in elektrische Spannung und umgekehrt. In einem Thermoelement erzeugen Temperaturdifferenzen an den Verbindungsstellen der zwei verschiedenen Metalle eine Spannung.
2. Ausnutzung des **Peltier-Effekts**: Dieser Effekt wurde nach dem französischen Physiker Jean Charles Athanase Peltier benannt und beschreibt die Wärmemenge, die an einem Stromkreis erzeugt oder absorbiert wird, wenn ein Strom durch zwei unterschiedliche Materialien fließt.
3. Die direkte Messung der tatsächlichen Umgebungstemperatur direkt an der Kaltlötstelle.
Methode 1: Seebeck Effekt
Historisch gesehen wurde die Kaltlötstellenkompensation durch die Eispunkt-Referenz-Methode (Seebeck-Effekt) zuerst genutzt. Die Methode ist relativ einfach und erfordert nur ein Eisbad, um die Temperatur an der Verbindungsstelle konstant zu halten. In diesem Falle exakt auf 0°C. Diese Methode wurde bereits in den frühen Tagen der Thermoelement-Messtechnik verwendet, lange bevor softwaregesteuerte und mit schnellen Prozessrechnern ausgestattete Messsysteme für die effektive Kompensation dieses Messfehlers zur Verfügung standen.
Eine durchdachte Kombination aus Eis und Wasser, verpackt in ein robustes, industrielles Gehäuse, versorgt mit rudimentärer Regelungstechnologie und ausgestattet mit einer Stromversorgung – was klingt wie eine Bauanleitung aus dem Film „Zurück in die Zukunft“, ist in Wirklichkeit die Grundlage für Dr. Kayes mehrkanalige, für verschiedenste industrielle Anwendungen einsetzbaren Eispunkt-Referenzen. Ja, Sie haben richtig gelesen! So überraschend es klingt, dieses innovative Konzept fand schon bald breite Anerkennung in verschiedensten industriellen Anwendungen und hat bis heute nichts von seiner Relevanz eingebüßt. Auch wenn dieses Messprinzip nach wie vor der Grundstein für die heutigen Kaye Eispunkt-Referenzen bildet, hat sich die Steuerelektronik natürlich weiterentwickelt - und das bemerkenswerte dabei ist, dass die Kaye Eispunkt-Referenzen trotz dieser minimalen technischen Veränderungen immer noch zu den genauesten auf dem Markt gehören.
Methode 2: Peltier-Effekt
Der Peltier-Effekt wird in der Regel nicht explizit für die Kompensation von Kaltlötstellen in industriellen Messgeräten verwendet. Normalerweise wird der Peltier-Effekt in Peltier-Kühlern/ Heizaggregaten eingesetzt, um eine Temperaturdifferenz zu erzeugen und somit eine Kühlung zu erreichen z.B. im Kaye Blockkalibrator LTR-150.
Es ist zwar theoretisch möglich, einen Peltier-Kühler an der Kaltlötstelle einzusetzen, um die Temperatur an der Kaltlötstelle konstant zu halten und so die Notwendigkeit einer Kompensation zu eliminieren. Dieser Ansatz wäre jedoch in den meisten Anwendungen unpraktisch und kostenintensiv und findet deshalb nur in sehr speziellen Thermoelement-Messkreisen Anwendung.
Methode 3: Direkte Messung der tatsächlichen Umgebungstemperatur direkt an der Kaltlötstelle
Das mittlerweile verbreitetste Verfahren ist die direkte Messung der Temperatur an der Kaltlötstelle und die anschließende Kompensation mithilfe von Software. Dies wurde mit dem Aufkommen von Mikroprozessortechnik und Softwarealgorithmen möglich.
Bei dieser Methode wird ein separater Temperatursensor, oft ein hochpräziser Widerstandsthermometer oder ein Thermistor, verwendet, um die Temperatur an der Kaltlötstelle zu messen. Diese Information wird dann zur Kompensation des Thermoelementsignals genutzt. Die Kompensation erfolgt durch eine Umrechnung der gemessenen Kaltlötstellentemperatur in eine entsprechende Thermoelementspannung unter Verwendung der bekannten Thermoelementspannungs-Temperatur-Beziehung (Seebeck-Kurve). Diese "Kompensations-Spannung" wird dann vom gemessenen Thermoelementsignal abgezogen, um nur das Signal der "heißen" Verbindungsstelle (dem Messpunkt) zu erhalten. Es ist wichtig zu beachten, dass die Qualität der Kompensation stark von der Präzision, Stabilität und dem Ansprechverhalten des verwendeten Kaltlötstellen-Temperatursensors abhängt. Darüber hinaus muss die Kaltlötstelle gut thermisch isoliert sein, um Störungen durch äußere Temperaturschwankungen zu minimieren.
Auch dieses Messprinzip findet bei den Kaye Messwertschreibern Anwendung. Schon die erste Kaye Digistrip Produktfamilie nutzte diese Methode, und auch die modernen Kaye AVS Validatoren verwenden diese Kompensationsmöglichkeit direkt an der Verbindungsstelle im SIM (Sensor Input Module), an dem alle Thermoelemente angeschlossen werden.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die grundlegenden Forschungserkenntnisse des Firmengründers Dr. Kaye kontinuierlich in industrielle Lösungen aus dem Hause Kaye umgesetzt wurden und weiterhin werden. Eine stetige Anpassung, basierend auf neuen, präziseren und schnelleren elektronischen Komponenten auf Mikrochip-Basis, ist integraler Bestandteil der Entwicklungsphilosophie bei Kaye. Interessanterweise bleiben die physikalischen Grundkenntnisse seit den Anfangstagen der Firmengründung gleich, und verdeutlichen die zeitlose Relevanz und Anwendbarkeit dieser wissenschaftlichen Prinzipien.